Kultur und Kommunikationstechnologien in sozialen Netzwerken

Wissenschaftliche Tagung, 29./30. Mai 2008, Stuttgart


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Soziale Netzwerke und Kommunikationsmedien stehen in einem Wechselverhältnis. Die Art und Weise, wie wir im Internet oder Mobil kommunizieren, verändert die persönlichen Netzwerke, lässt Beziehungen bestehen, die sonst abgerissen wären, hilft neue Beziehungen entstehen zu lassen etc. Es sind nicht nur interpersonale Medien, auch Veränderungen bei den Massenmedien, etwa der Vermehrung von Kanälen im Fernsehen, beeinflusst die Netzwerke der Rezipienten. Wenn es Wechselwirkungen zwischen Medien und Netzwerken gibt, dann verändern sich mit den sich wandelnden Medien auch die durch sie verbreiteten und in ihnen verankerten kulturellen Bestände.

Die gemeinsame Tagung der AG Netzwerkforschung und der Sektion für Medien- und Kommunikationssoziologie in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie nimmt dieses sehr vielschichtige Thema auf und diskutiert es theoretisch, methodologisch und an empirischen Beispielen.

Relevante Fragen wären etwa:
- Wie lässt sich das Zusammenspiel zwischen Face-to-Face- und medial vermittelter Kommunikation theoretisch modellieren? Wie unterscheiden sich beide Kommunikationstypen hinsichtlich der Bildung und Reproduktion von sozialen Strukturen und kulturellen Formen?
- Welche methodischen Herangehensweisen sind geeignet, soziale Netzwerke und kulturelle Diffusions- und Aushandlungsprozesse zwischen Face-to-Face und Kommunikationstechnologien zu erheben? In welcher Weise müssen Unterschiede qualitativ exploriert werden oder können quantitativ standardisiert erhoben werden?
- Welche spezifischen sozialen Strukturen und kulturellen Formen entstehen durch neue Kommunikationstechnologien wie die Mobiltelefonie oder das Internet? Welche kulturellen Bedeutungen werden etwa in SMS transportiert und welche Folgen hat dies für Sozialbeziehungen? Wie kombiniert das Internet persönliche mit Gruppenkommunikation, und inwiefern bilden sich in Online-Spielen, Chaträumen, Diskussionsforen, Networking-Sites oder E-Mail-Listen neue sozio-kulturelle Formationen?
- Auf welche Weise kann das Wechselverhältnis zwischen Medien und Kultur als Wandel empirisch erfasst werden?

Die auf Kommunikationstechnologien aufbauenden sozialen Interaktionen machen einen immer bedeutsameren Teil unserer Gesellschaft aus. Genau wie die Schrift, der Buchdruck oder das Fernsehen sorgen in letzter Zeit neue Kommunikationstechnologien wie das Mobiltelefon oder das Internet dafür, dass neue kulturelle Formen und neue Muster des sozialen Umgangs ausbilden. Wenn Kommunikation sich in den Medien neu ordnet, entwickeln sich hierauf bezogen auch die sozialen Formen des Umgangs miteinander und in der Folge auch die darüber sich konstituierenden / diese nutzenden sozialen Netzwerke. Das Thema „Kultur und Kommunikationstechnologien in sozialen Netzwerken“ wird dabei auf zweierlei Weise wichtig:

Erstens entstehen durch Nutzungsweisen und Bewertungen von Kommunikationstechnologien neue Netzwerke und die bestehenden Netzwerke verändern sich - und das bedeutet, dass auch neue kulturelle Formen entstehen. Wie Joshua Meyrowitz (1985) herausgearbeitet hat, sprechen etwa Printmedien und das Fernsehen unterschiedliche Segmente der Gesellschaft an – während die Printmedien insulare Publika hervorbringen, zielt das Fernsehen mehr auf die Gesamtgesellschaft und bringt deswegen eher massenkompatible Produkte hervor. Entsprechend fördern Printmedien wesentlich stärker spezialisierte kulturelle Formen, während das Fernsehen eher einen Massengeschmack bedienen muss und dadurch trotz der Vermehrung der Televisionskanäle tendenziell eher eine gewisse kulturelle Vereinheitlichung mit sich bringt. Man kann davon ausgehen, dass hingegen insbesondere Internet ganz neue, staatenübergreifende Subkulturen bedienen kann – die sozio-kulturellen Milieus also zugleich kleinteiliger und ortsunabhängiger werden. Man kann also für die Kultur der Gesellschaft die Frage nach dem Verhältnis von Massenkultur und einer zerfaserten balkanisierten Aufsplittung immer kleinerer „Subkulturen“ stellen.

Zweitens werden kulturelle Inhalte von Kommunikationstechnologien – aber auch die Bedeutung und Bewertung der Technologien selber – in Netzwerken konstruiert. Dabei kommt es zu einer Überlappung von persönlichen und technisch vermittelten Netzwerken – Internet und Face-to-face verschmelzen zu einem gemeinsamen Erfahrungsraum, in dem Personen und kulturelle Formen routinemäßig zwischen Anwesenheitskommunikation und den Internetmedien wechseln. Beispiele dafür sind etwa die Fan-Treffen (Conventions) von Fernsehserien wie Star Trek, die Partnerbörsen und Networking-Sites im Internet oder die Veränderung von raumzeitlichen Strukturen durch Mobiltelefone und Cyber-Chat. Kommunikationstechnologien befördern die transnationalen Netzwerke von Migranten und von internationalen Eliten und Subkulturen.